Erkrankte Beschäftigte dürfen nicht privat überwacht werden

Ein Arbeitgeber darf einen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer auf dessen Privatgrundstück ohne hinreichende Verdachtsmomente nicht beobachten und filmen lassen. Bildquelle: Robert Owen-Wahl / pixabay.com

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat entschieden: Ein Arbeitgeber darf einen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer auf dessen Privatgrundstück ohne hinreichende Verdachtsmomente nicht beobachten und filmen lassen.

Im konkreten Fall war ein als Betontechnologe beschäftigter Arbeitnehmer mehr als ein Jahr krankgeschrieben. Der Arbeitgeber hatte Zweifel an dessen Arbeitsunfähigkeit und ließ ihn bei Tätigkeiten auf seinem Hausgrundstück von einem Privatdetektiv beobachten. Durch ein Loch in der Hecke entstanden so Aufzeichnungen, die den Arbeitnehmer beim Pflastern einer Terrasse und dem Bau einer Gartenmauer zeigten. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Die Begründung: Der Arbeitnehmer habe schwere körperliche Arbeiten verrichtet und somit die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht, sich zumindest aber genesungswidrig verhalten.

Der Arbeitnehmer wehrte sich gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht. Er sei seinem Schwiegersohn und seinem Nachbarn bei den Arbeiten in seinem Garten nur mit leichten Tätigkeiten zur Hand gegangen und habe dabei die Belastungsfähigkeit seiner verletzten Schulter testen wollen. Somit habe er sich eben gerade nicht genesungswidrig verhalten.

Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam, weil aus seiner Sicht eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich gewesen wäre. Das Verhalten des Arbeitnehmers sei nicht so schwerwiegend, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen könne. Der Arbeitgeber legte Berufung ein und bot dem Arbeitnehmer nach Aufforderung durch dessen Anwalt zugleich eine Weiterbeschäftigung an. Hierbei wurden ihm über längere Zeit keinerlei Tätigkeiten zugewiesen – einen Zugriff auf das Firmennetzwerk erhielt er nicht. Daraufhin beantragte der Arbeitnehmer für den Fall der Abweisung der Berufung des Arbeitgebers die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die Zahlung einer Abfindung von mindestens 60.000 Euro, da eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar sei.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg entschied in der Berufung ebenfalls im Sinne des Arbeitnehmers. Die heimliche Überwachung auf dem Privatgrundstück des erkrankten Arbeitnehmers stelle einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers dar. Dieser hätte allenfalls durch konkrete Verdachtsmomente für eine schwere Pflichtverletzung gerechtfertigt werden können. Solche waren in diesem Fall nicht gegeben, so dass die Videoaufzeichnung und der schriftliche Bericht der Detektei im Kündigungsschutzverfahren nicht verwertbar waren.

Auf der anderen Seite habe der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund seiner privaten Gartenarbeiten erheblich verletzt. Eine solche Verletzung sei an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Unter Abwägung der Interessen der beiden Vertragsparteien sei allerdings dem Arbeitgeber die Beschäftigung bis zum Ablauf der Frist einer ordentlichen Kündigung zumutbar gewesen. Die außerordentliche Kündigung wegen genesungswidrigen Verhaltens ohne vorherige Abmahnung war somit unwirksam.

Die feindselige Haltung des Arbeitgebers aufgrund der geänderten und schlechten Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers könne zudem bei der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitnehmers rechtfertigen. Die Höhe der Abfindung wurde allerdings auf 35.000 Euro festgesetzt, weil der Arbeitnehmer durch seine Pflichtverletzungen eine erhebliche Mitverantwortung an der Störung des Arbeitsverhältnisses trage.

Den ursprünglichen Artikel finden Sie in der Ausgabe 5 des VAA-Newsletters.